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Sensationsfund Vor 50 Jahren grub ein Bauer nach Wasser – und entdeckte die Terrakotta-Armee

Archäologen graben die Terrakotta-Armee aus
Freigelegt: Nach der Entdeckung der ersten Terrakotta-Krieger 1974 begannen großangelegte Grabungen auf dem Gelände nordöstlich der Stadt Xi'an (hier 1979)
© Sovfoto / Universal Images Group / Getty Images
Am 29. März 1974 wurde die Terrakotta-Armee entdeckt – durch Zufall. Ein chinesischer Bauer hackte in der Erde nach Wasser und stieß dabei auf einen tönernen Soldaten. Eine Sensation, die zunächst geheim gehalten werden sollte

Bereits seit drei Tagen sind die Bauern aus dem Dorf Xiyang im Südosten Chinas auf der Suche. Immer wieder hacken sie in jenem März 1974 in die trockene Erde, seit Wochen schon leidet die Region unter einer Dürre. Die Mission der Männer: Wasser finden – und einen Brunnen graben. Andernfalls drohen ihre Granatäpfel- und Kakibäume einzugehen.

Am 29. März schließlich trifft der Landwirt Yang Zhifa mit seiner Hacke auf etwas Hartes. Im Erdreich sieht er in einigen Metern Tiefe einen tönernen Gegenstand mit einer Öffnung. Vielleicht ein Krug? Die Männer graben weiter, der vermeintliche Topf entpuppt sich bald als Rumpf einer Statue, der Kopf fehlt. Yang Zhifa und seine Kumpane sind auf eine der größten archäologischen Sensationen der Moderne gestoßen: die Terrakotta-Armee. Sie wissen es nur noch nicht.

Qin Shi Huangdi einte China im Jahr 221 v. Chr.

Die Bauern bergen die kopflose Statue, der zudem ein Bein fehlt, graben außerdem Pfeilspitzen und Tonfiguren aus. In der Hoffnung auf Finderlohn wuchten sie die Funde auf Handkarren und schaffen sie ins nächstgelegene Museum. Tatsächlich sollen sie 30 Yuan erhalten haben, etwa drei Mal so viel wie das Jahreseinkommen eines Landwirts.

Einen Monat später begutachtet der Archäologe Zhao Kangmin die Fundstücke – und erkennt ihren Wert sofort. Er ist sich sicher: Die beschädigte Statue sowie die Tonscherben sind mehr als 2000 Jahre alt und können nur aus der Zeit des legendären Qin Shi Huangdi stammen. Dieser hatte China im Jahr 221 v. Chr. nach harten Kämpfen geeint, war zum ersten Kaiser und damals mächtigsten Mann der Welt aufgestiegen. 

Terrakotta-Armee mit Überdachung
Aufmarsch der Tonkrieger: Mehr als 8000 Soldaten ließ Qin Shi Huangdi für sein Mausoleum herstellen, dazu Panzerreiter mit Pferden sowie Fahrer mehrspänniger Streitwagen (hier Arbeiten im Jahr 1986)
© Howard Ruffner / Getty Images

Auftrumpfen wollte Qin Shi Huangdi auch im Totenreich: Nahe der Stadt Xianyang ließ er 700.000 Zwangsarbeiter jahrelang eine gigantische Grabstätte errichten. Mehr als 8000 Krieger aus Ton – bewaffnet mit echten Schwertern, Bögen, Piken und Armbrüsten – sollten ihn im Jenseits gegen Feinde verteidigen, dazu Panzerreiter mit Pferden sowie Fahrer mehrspänniger Streitwagen.

Der Archäologe Zhao Kangmin wollte die Terrakotta-Armee zunächst geheim halten

Von diesem furchterregenden Heer ist im Jahr 1974 wenig zu sehen, als der Archäologe Zhao Kangmin seine Untersuchungen beginnt. Dennoch gelingt es ihm, die bereits gefundenen Fragmente zu mehreren lebensgroßen Terrakotta-Kriegern zusammenzusetzen. So außergewöhnlich scheinen ihm die Soldaten, dass Zhao sie zunächst geheim halten will. 

Krieger in einer Vitrine im Museum
Jedes Detail bis hin zu den Frisuren, den Gürtelhaken und Bindungen der Schuppenpanzer ist akkurat und wirklichkeitsgetreu gearbeitet. Ursprünglich waren alle Figuren mit buntem Lack überzogen; Hemden, Hosen und Bänder waren in verschiedenen Rottönen, Grün, Blau und Gelb gehalten, die Augen weiß mit dunkler Iris
© Lucas Schifres / Getty Images

1966 hatte Mao Zedong die Kulturrevolution ausgerufen, die die „Vier Alten“ ausmerzen sollte – Denkweisen, Kulturen, Gewohnheiten und Sitten –, um Neues zu schaffen. Zhao fürchtet, die Krieger des Qin Shi Huangdi könnten der Zerstörungswut der Staatsgewalt zum Opfer fallen, und verschweigt zunächst die große Entdeckung.

Doch kurze Zeit später macht ein Journalist den Sensationsfund öffentlich, und die von Zhao befürchtete Zerstörung der Figuren bleibt aus. Im Gegenteil: 1975 beginnen weitläufige Ausgrabungen, fördern mehr und mehr der tönernen Krieger zutage. 

Bald darauf öffnet ein Museum auf dem Gelände, 1987 das Mausoleum des Qin Shi Huangdi Teil des UNESCO-Weltkulturerbes, zieht Millionen Besucherinnen und Besucher an. Bis heute sind die Ausmaße der gewaltiger Grabstätte nicht vollständig erfasst; von den Terrakotta-Kriegern ist nur ein kleiner Teil freigelegt. 

Auch für den ursprünglichen Entdecker der Terrakotta-Armee, den Landwirt Yang Zhifa, hat sein Fund tiefgreifende Folgen: Aufgrund der Ausgrabungen wird sein Dorf zwangsumgesiedelt, Yang gibt seinen Beruf als Bauer auf – und schreibt stattdessen bis zu seiner Pensionierung im Terrakotta-Krieger- und -Pferdemuseum Autogramme, signiert Bücher und unterhält sich mit Touristinnen und Touristen über das Erbe des großen Qin Shi Huangdi. Sein berühmtester Gesprächspartner: US-Präsident Bill Clinton, der die Tonkrieger 1998 besucht.

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